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15.03.2024 09:39
Globale Klimadatenbanken arbeiten mit falschen Daten für die Tropen
Exakte Klimadaten sind für Vorhersagen und Modellierungen des Klimawandels immens wichtig. Anhand eines einzigartigen Klimadatensatzes von 170 Stationen, hauptsächlich aus den Gebirgen in Tansania einschließlich des Kilimandscharo, zeigt Dr. Andreas Hemp, Forscher am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth, dass die üblicher Weise genutzten Datensätze ungenau sind. Welche Daten geeigneter sind, das zeigt Hemp in einer aktuellen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift PLOS ONE.
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What for?
Um die Verbreitung von Arten, aber auch die Ökosystemfunktionen und -dienstleistungen zu verstehen, sind Klimadaten erforderlich. Die Erhebung solcher Klimadaten ist kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung für andere Forschungen rund um den Klimawandel. Daher hat Dr. Hemp mit Kollegen aus dem Senckenberg-Forschungsnetzwerk „Kili-SES“, an dem auch die Universität Bayreuth beteiligt ist, ein in diesem Umfang für entlegene tropische Gebirgsregionen einzigartiges Netzwerk von Klimamessstellen eingerichtet. Genauere Abschätzung, welche Klimaveränderung welche Folgen haben wird, sind dadurch möglich.
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Globale Klimadatensätze wie WorldClim und CHELSA, die in der Forschung weite Anwendung finden, beruhen auf Interpolation, also der Schätzung (Modellierung) unbekannter Werte auf Basis von bekannten Daten. Und sie beruhen auf wenigen Daten, da Wetterstationen in tropischen Gebirgen selten sind. Die Folge: Nicht nur die maximale Menge des mittleren Jahresniederschlags in den Tropen wird drastisch unterschätzt, sondern auch die Höhenlage des Niederschlagsmaximums weicht stark von den tatsächlichen Gegebenheiten ab.
So liegt am Kilimanjaro das Niederschlagsmaximum mit 3300 mm in 1920 m Meereshöhe (Mittelwert aus über 10 Messjahren). Die entsprechenden modellierten Werte der beiden Klimadatenbanken weichen hiervon mit 1900 mm und 1500 mm in 1400 m und 2770 m Meereshöhe drastisch ab. Ähnlich hohe Diskrepanzen wurden auf den 15 anderen untersuchten Bergen Tansanias festgestellt. Das ist für die Erforschung der Ursachen von Artverbreitungsmustern bedeutsam. So folgt beispielsweise die Verbreitung bestimmter Artengruppen am Kilimanjaro wie die der Farne oder der Epiphyten (sog. Aufsitzerpflanzen) ganz klar der gemessenen Niederschlagsverteilung mit dem Maximum bei 1900-2000 m Meereshöhe. Bei Zugrundelegung der modellierten Daten mit ihren falschen Maxima ist dieser Zusammenhang nicht erkennbar.
„Ebenso liegen Modellierungen von künftigen Arealverschiebungen von Arten im Zusammenhang mit bevorstehenden Klimaveränderungen entlang dieses Höhengradienten völlig daneben“, sagt Dr. Andreas Hemp, Forscher am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth. „Auch Berechnungen der gesamten Niederschlagsmenge, die z.B. der Waldgürtel erhält und als Grundwasser und Oberflächenabfluss der tiefer liegenden Kulturlandzone mit ihren 1,4 Millionen Menschen zur Verfügung stellt, kommen mit den WorldClim oder CHELSA-Daten zu völlig falschen Ergebnissen: Das ist fatal, angesichts der Wichtigkeit solcher Daten.“ Da anzunehmen ist, dass es ähnliche Abweichungen auch in den anderen tropischen Gebirgen gibt, in denen mangels existierender Messstellen zumeist mit globalen Klimadatensätzen gearbeitet wird – wie an den vielen hundert Publikationen der letzten Jahre abzulesen – ist die Aussagekraft solcher Studien zumindest teilweise in Frage zu stellen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass globale Klimadatensätze zumindest in tropischen Regionen mit größerer Vorsicht verwendet werden sollten als bisher“, sagt Dr. Hemp. Er betont die Bedeutung besserer Daten: „Die Tropen sind Hotspots der biologischen Vielfalt und sind daher von hohem ökologischen Interesse. In der PLOS ONE-Veröffentlichung zeigen wir, dass insbesondere in Gebirgen mit starken Höhengradienten – also mit steilen Hängen und tiefen Tälern sowie großen Höhenunterschieden – , entlang derer sich das Klima sehr schnell und kleinräumig ändert, die Erhebung eigener Daten sehr wichtig ist, da modellierte Daten hier offensichtlich versagen.“
Seit 1996 erforscht Hemp mit Kolleg*innen in zahlreichen DFG-Projekten die Artenvielfalt am Kilimanjaro und seinen umliegenden Gebieten in Ostafrika, seit 2010 im Rahmen einer interdisziplinären Forschungsgruppe. Er hat ein in diesem Umfang für entlegene tropische Gebirgsregionen einzigartiges Netzwerk von Klimamessstellen eingerichtet. Andreas Hemp leitet gemeinsam mit Katrin Böhning-Gaese (Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum) und Markus Fischer (Universität Bern) die DFG-geförderte Forschergruppe „Kili-SES“, die die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur in der Kilimanjaro-Region analysiert. An der Datenanalyse für die vorliegende Studie war auch Judith Hemp beteiligt
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
PD Dr. Andreas Hemp
Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth
Tel.: +49 (0) 921 55 2464
Mail: andreas.hemp@uni-bayreuth.de
Originalpublikation:
Originalpublikation: Andreas Hemp, Judith Hemp (2024): Weather or not—Global climate databases: Reliable on tropical mountains? PLoS ONE 19(3): e0299363.
DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0299363
Weitere Informationen:
http://Website: https://kili-ses.senckenberg.de/
Bilder
Die untersuchten tansanischen Berge
UBT/Hemp
Vergleich gemessener und modellierter Niederschlagsmaxima im Hinblick auf ihren Erklärungswert für b …
UBT/Hemp
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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