27.02.2020 12:12
Mikro-Überlebenskünstler: Archaeen bewältigen biologische Methanisierung trotz Asche und Teer
Nürnberg, 27. Februar 2020: Ein Team aus Wissenschaft und Praxis erforschte im BMWi Förderbereich „Energetische Biomassenutzung“ wie thermochemische Vergasung holzartiger Biomasse und mikrobielle Erzeugung von Methan effizient gekoppelt werden kann. Hauptaugenmerk galt spezifischen Mikroorganismen (Archaeen) und der Frage, wie diese die biologische Methanisierung auch unter erschwerten Bedingungen aufrechterhalten können. Die Erkenntnisse tragen nicht nur zur wirtschaftlichen Optimierung von Biogasanlagen durch Quervernetzung von Nährlösungsströmen bei. Sie erschließen vor allem neue, nachhaltige und kostengünstige Rohstoffquellen.
Sie sind die Hartgesottenen unter den Ur-Organismen: Archaeen besiedeln extreme ökologische Nischen, beispielsweise Schwarze Raucher, hydrothermale Quellen am Grund der Tiefsee. Einzelne Stämme dieser Mikroorganismen sind Teil der biologischen Kaskade, die in Biogasanlagen aktiv ist, um dort Kohlenstoffdioxid als Kohlenstoffquelle und Wasserstoff von anderen Kulturen zu übernehmen und Methan zu bilden (Methanisierung). So geschieht es auch in Power-to-Gas genannten Verfahren. Der Grundgedanke dabei ist, Strom durch die Umwandlung zu einem energiereichen Gas auch über längere Zeiträume speicherbar zu machen. Benötigt wird das beispielsweise, wenn Solarstrom aus dem Sommer und Windstrom aus den Übergangszeiten in die Wintermonate transferiert werden soll, in denen der Bedarf hoch und die Erzeugung niedrig ist. Gleichzeitig können so Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor gekoppelt werden. Optimal ist die Verwendung von Methan als ‚Speicher‘, weil das Erdgasnetz mit etwa 220 TWh eine enorme Kapazität hat. Ein solches Verfahren ist die biologische Methanisierung. Da dieser Prozess jedoch nach aktuellem Stand noch zu unwirtschaftlich ist, verfolgten nun Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gemeinsam mit dem Praxispartner MicroPyros GmbH und dem Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, eine Verfahrensidee, in der sie die Ausgangsstoffe der biologischen Methanisierung verändern und den Prozess damit erheblich kostengünstiger gestalten. Im Projekt „Ash-to-Gas – Mikrobielle Biomethan-Erzeugung mit Wasserstoff aus der thermischen Vergasung von Biomasse mit Nährstoffen aus Vergasungsrückständen (03KB097)“ wird dafür der Prozess der Vergasung mit der biologischen Methanisierung in Biogasanlagen gekoppelt.
Die Idee
Holzartige (lignocellulosehaltige) Reststoffe, wie kostengünstiges Straßenbegleitgrün, Grasschnitt, Stroh oder Waldrestholz werden vergast. Es entsteht ein Produktgas aus Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid und Kohlenmonoxid, welches in einem nachgeschalteten Fermenter durch die Archaeen methanisiert wird (siehe Bild 2). Im Projekt wollten die Forscher nun herausfinden, ob die Mikroorganismen den erschwerten Bedingungen trotzen können. Diese werden von der Firma MicroPyros kultiviert. „Sollten die Archaeen gegenüber Kohlenmonoxid und Teeren die Methanisierung aufrechterhalten, könnte die aufwändige Gasreinigung reduziert werden – ein wichtiger Schritt hin zu einer wirtschaftlichen Optimierung von Biogasanlagen.“, so Yvonne Gmach, Projektleiterin von MicroPyros. Darüber hinaus sollte ermittelt werden, ob die Asche des Vergasers als Nahrung für die Archaeen verwendet werden kann um Prozesskosten zu sparen.
Kernfragen des Projektes:
– Können Kulturen der Archaeen entwickelt werden, die neben Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid auch Kohlenstoffmonoxid umsetzen?
– Können die Mikroorganismen auch in Gegenwart von Teeren im Synthesegas ihre hohen Umsatzraten beibehalten?
– Können Asche und Kokspartikel aus der Vergasung als Nährstoff für die Archaeen verwendet werden?
Ergebnisse im Überblick:
– Über den Projektzeitraum wies das Projektteam nach, dass sämtliche Komponenten, die in realem Synthesegas aus der Vergasung enthalten sind, von den Mikroorganismen „geduldet“ werden.
– In den Teerversuchen reagierten die Mikroorganismen auf verschiedene Teerkomponenten unterschiedlich. Durchgeführte Versuche deuten darauf hin, dass größere Teermoleküle ungleich schwieriger von den Mikroorganismen zu tolerieren sind als kleinere Moleküle.
– Bei den Versuchen Nährlösung durch Asche zu ersetzen, reagierten die Mikroorganismen neutral bis negativ: Die Verbrennungs- und Vergasungsasche wird von den Mikroorganismen zwar grundsätzlich toleriert, kann nach Versuchserkenntnissen des Projektpartners MicroPyros jedoch nicht als alleiniges Nährstoffsubstitut verwendet werden.
Projektkoordinator Thomas Trabold (FAU) differenziert die Ergebnisse: „Im Verlauf der Untersuchungen kann trotz aller Herausforderungen gezeigt werden, dass eine Adaption der Kultur an die Teere unter Verringerung der Methanproduktionsrate möglich ist. Die Teere werden höchstwahrscheinlich von den Mikroorganismen abgebaut. Dadurch ergibt sich an dieser Stelle der größte Bedarf an weiterer Forschung, was die Abbauraten, -produkte, Belastungsgrenzen und vor allem die Adaptionsfähigkeit weiterer Kulturen angeht.“
Eindeutig erfolgreich hingegen war die Reaktion der Archaeen auf Kohlenstoffmonoxid; dieses wird komplett akzeptiert und verstoffwechselt. Eine weitere bedeutende Erkenntnis der Projektarbeit war die Relevanz des Versuchsaufbaus. Die Verwendung eines Rieselbettfermenters für die biologische Methanisierung birgt erhebliches Potential zur weiteren Prozessoptimierung. Es lässt sich ebenso wie im Rührfermenter eine stabile Kultur herstellen. Dies wird im BMWi-Projekt ORBIT näher untersucht.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Karl – Projektleiter
Lehrstuhl für Energieverfahrenstechnik
Fürther Straße 244f
90429 Nürnberg
Thomas Trabold – direkter Ansprechpartner
Tel: +49 (0)911 5302 9027
Email: thomas.trabold@fau.de
Originalpublikation:
Trabold, T.; Weidlich, T.; Karl, J.: Direct Biological Methanation of the Synthesis Gas of an Allothermal Wood Gasifier. 13th International Renewable Energy Storage Conference (IRES 2019), Düsseldorf, 12.-14.03.2019.
Weitere Informationen:
https://www.energetische-biomassenutzung.de/projekte-partner/details/project/sho… Projektsteckbrief auf der Webseite des Förderbereichs
Anhang
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Energie, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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